
Ein Farbenrausch in Sabine Moritz’ Eden
Sabine Moritz hat sich einen Ruf als figurative Malerin erarbeitet – als Schöpferin traumhafter Blumenbilder und eindringlicher städtischer Szenen. Doch eine neue Ausstellung ihrer Werke in der KÖNIG GALERIE in Berlin zeigt eine aufregende neue Phase ihrer Entwicklung. Mit dem Titel Eden zeigt die Ausstellung 14 neue Gemälde, von denen neun großformatig und abstrakt sind. Diese lyrischen, impasto Werke dominieren sofort den Ausstellungsraum, brodelnd vor Emotion und Drama. Ihre emotionale und materielle Präsenz kontrastiert selbstbewusst mit dem sachlichen, organisierten Innenraum aus Ziegeln und Beton der Galerie. Beim Betreten der Ausstellung ist der erste Eindruck, dass diese Bilder wichtig sind und lange Blicke erfordern. Doch sie konkurrieren auch auf subtile Weise mit etwas anderem – zwischen den abstrakten Leinwänden befinden sich fünf kleinere, figurative Werke von Blumen und städtischen Szenen. Obwohl diese kleineren Werke weniger kühn und kleiner im Maßstab sind, halten sie ernsthaft gegen die größeren abstrakten Werke stand. Während die abstrakten Leinwände mehr Aufmerksamkeit zu verlangen scheinen, flüstern die figurativen Gemälde eine Art sanften Sirenengesang. Sie sind still, während die abstrakten Gemälde laut schreien. Schließlich ist es der Kontrast zwischen den beiden scheinbar unterschiedlichen Werkgruppen, der die Vorstellungskraft fesselt. Indem Moritz diese Werke zusammen ausstellt, führt sie uns in die Heiligkeit ihrer eigenen Methode und ihres Prozesses, wo all diese Bilder in einer Erhebung des Titels dieser Ausstellung – Eden, einem unberührten und idyllischen Ort, an dem alles genau so ist, wie es sein sollte und wo noch niemand angekommen ist, um zu verderben oder zu urteilen – zusammenpassen.
Leben hinter der Mauer
Moritz wurde 1969 im kommunistischen Ostdeutschland, in einer kleinen, nördlichen, mittelalterlichen Stadt namens Quedlinburg, geboren. Sie floh kurz vor dem Fall der Berliner Mauer mit ihrer Familie nach Westdeutschland. Zu diesem Zeitpunkt war sie bereits mit einem festen Verständnis sowohl der visuellen als auch der emotionalen Aspekte des Lebens hinter der Mauer aufgewachsen. Die Grautöne der Gebäude und Straßen; die bröckelnden Oberflächen; ungepflegte und nicht geschätzte Natur. Diese Welt der Unterdrückung und des Verfalls bleibt auch jetzt Teil ihrer visuellen Sprache. In all ihren Gemälden kann Moritz nicht anders, als darauf Bezug zu nehmen, wie ein ständiges, klingendes Echo, das sich weigert, ihren Geist zu verlassen.
Sabine Moritz: Eden, Ausstellungsansicht in der KÖNIG GALERIE in Berlin, 2018. Foto von Roman März
Diese Graufärbung und Armut sind offensichtlich in den beiden städtischen Szenen, die in Eden enthalten sind. "Neuland" (2017) zeigt einen streunenden Hund, der durch ein verwildertes, verlassenes städtisches Grundstück trottet, umgeben von vernagelten und verlassenen Geschäften und Wohngebäuden. Der Titel übersetzt sich als "Unbekanntes Gebiet." Es ist ein gleichzeitig deprimierender und hoffnungsvoller Gedanke: ein beschädigter Ort der Verzweiflung, der dennoch das Versprechen des Unbekannten birgt. Die andere städtische Szene, "Tunnel" (1992-93 / 2017), zeigt eine leere Straße, die in einen Tunnel verschwindet, während die umliegenden Hochhäuser still und unbewohnt dastehen. Das Bild ist subtil und voller Stille. Doch etwas daran ist auch gestört. Ist es meine Einbildung, oder scheinen die Farben eines der Hochhäuser die amerikanische Flagge zu imitieren? In Kombination mit dem Gemälde des Hundes kann ich nicht anders, als Referenzen zur zeitgenössischen Politik und Kultur in diesem Gemälde zu suchen, was mich fragen lässt, ob Moritz etwas an unserem aktuellen Horizont sieht, das sie an die Geschichte ihrer eigenen Vergangenheit erinnert.
Sabine Moritz: Eden, Ausstellungsansicht in der KÖNIG GALERIE in Berlin, 2018. Foto von Roman März
Ein wildes Eden
Die drei Blumenmalereien, die in Eden zu sehen sind, befinden sich in einem gespenstischen Mittelbereich zwischen etwas Schönem und etwas Beängstigendem. Die erste, mit dem Titel „Rosen und Lilien“ (2017), ist genau das, was der Titel verspricht: ein Gemälde von Rosen und Lilien. Dies sind die Blumen der Liebe und des Todes, die zusammen kombiniert sind. Die zweite, mit dem Titel „Peonien und Mäuse“ (2017), ist ebenfalls genau das, was der Titel verspricht: ein Bild von Pfingstrosen in einer Vase neben zwei Mäusen. Das Wasser in der Vase ist niedrig. Die Blumen müssen verlassen worden sein, und jetzt sind die Mäuse auf der Suche nach Krümeln, die von demjenigen zurückgelassen wurden, der gegangen ist oder weggenommen wurde. Die dritte Blumenmalerei, „Rosen und Schädel“ (2017), ist ein Bild von trocken aussehenden, aber dennoch schönen Rosen, die in einer Vase auf einem Tisch mit einem menschlichen Schädel im Hintergrund stehen. Wie die anderen beiden Blumenmalereien impliziert sie eine gleichzeitige Verbindung zu Leben und Tod sowie eine gleichzeitige Wertschätzung für Schönheit und Verfall.
Sabine Moritz: Eden, Ausstellungsansicht in der KÖNIG GALERIE in Berlin, 2018. Foto von Roman März
Doch schließlich sind es die neun abstrakten Leinwände, die die wahre Intensität und das Potenzial von Eden offenbaren. In diesen Gemälden verwendet Moritz eine explosive Sprache aus Gesten und Farben, die an expressionistische Maler der Vergangenheit erinnert, aber etwas entschieden Zeitgenössisches hervorbringt. Dieses Werk verweist auf zwei Maler: Monet, in seinen späten Seerosenwerken, und die Werke der amerikanischen abstrakten Expressionistin Joan Mitchell. Der Monet-Verweis zeigt sich sowohl im Gleichgewicht der Kompositionen als auch in den Farbbeziehungen, die diese Leinwände zum Vibrieren bringen. Der Mitchell-Verweis wird teilweise durch die Pinselstriche ausgedrückt, aber hauptsächlich kommt er durch die Angst zum Ausdruck. Mitchell kämpfte mit vielen Dämonen, und es ist klar, dass Moritz das auch tut, wie in Gemälden wie „Als die Säugetiere ins Meer kamen“ (2018), „Glut“ (2018) und „Chaos“ (2018). Aber es gibt etwas deutlich Schönes und vielleicht auch Optimistisches an einigen dieser Gemälde, insbesondere an den beiden Werken, die den Namen dieser Ausstellung tragen, „Eden I“ und „Eden II“ (2018). Mitten in ihrem lebhaften Rot und Blau strömt eine kreative Energie aus diesen Kompositionen hervor. Sie projizieren das volle Gewicht ihres Mediums. Die Üppigkeit und Sinnlichkeit ihrer Farbe kann nicht anders, als ein Gefühl von Neuanfängen zu inspirieren. Obwohl diese Werke entschieden abstrakt sind und nicht dazu gedacht sind, ein tatsächliches Eden zu vermitteln, sind sie reich an dem einen, was Eden einst angeblich auch hatte: Versprechen. Sabine Moritz: Eden ist bis zum 19. August 2018 in der KÖNIG GALERIE in Berlin zu sehen.
Titelbild: Sabine Moritz: Eden, Ausstellungsansicht in der KÖNIG GALERIE in Berlin, 2018. Foto von Roman März
Von Phillip Barcio